Fritz Pölking

Papageitaucher und Kameraformate

Fast alle Naturfotografen haben mit KB angefangen und sind auch meistens für den Rest ihres Lebens dabei geblieben.

Aber jeder hat wohl so ab und an darüber nachgedacht, davon geträumt oder darüber spekuliert, ob er nicht doch auf 6x6, 6x7 oder 9x12 umsteigen sollte.

Auch ich habe am Anfang als Naturfotograf manchmal mit einer Großformatkamera gearbeitet. Etwa 1961 auf Fair Isle aus der Shetland-Gruppe, oder 1962 auf der Insel Skomer vor der Küste von Wales, bei Haverfordwest.

Dorthin hatte ich mich mit einer Nußschale übersetzen lassen, um für einige Wochen Papageitaucher zu fotografieren - in Schwarzweiß und mit der Linhof Technika und den Objektiven Schneider Xenar 3.5/105 mm und dem Voigtländer Telomar 5.5/240 mm, und einem 6x9 cm Rollfilmrückteil für die Kamera. Dadurch brauchte ich keine einzelnen Planfilme in Kassetten, sondern konnte 8 Fotos pro Film belichten.


Die gute alte Linhof Technika 6x9, hier
mit dem Voigtländer Telomar 5.5/240 mm.

Die Arbeitsweise mit so einer Großformatkamera ist ziemlich witzig:

Zuerst einmal muß man den Zentralverschluß am Objektiv spannen und ihn öffnen. Dann unter einem Tuch verschwinden, um auf der Mattscheibe mit einem seitenverkehrt und kopfstehenden Motiv zu komponieren und scharf einzustellen.

Anschließend versucht man mit einem Lichtmesser oder Spot-Handbelichtungsmesser (je nach Motiv) die richtige Belichtungszeit zu ermitteln.

Dann muß man die offene Einstellblende auf den gewünschten Wert stellen und den Verschluß schließen.

Dann entfernt man das Einstellrückteil und ersetzt es durch das Rollfilmrückteil.

Nun zieht man den Kassettenschieber heraus und kann jetzt das Bild belichten.

Dann muß man den Kassettenschieber wieder einschieben und den Verschluß wieder spannen.

Jetzt öffnet man die Blende wieder auf den größten Wert, um ein helles Sucherbild zu bekommen. 

Danach das Rollfilmrückteil wieder durch das Einstellrückteil ersetzen und den Verschluß wieder öffnen, damit man auf der Mattscheibe dann das nächste kopfstehende und seitenverkehrte Motiv bearbeiten kann.

2 Vorteile: es gibt keinen Spiegelschlag und auch keine Schlag des Rollos vom Schlitzverschluß. Außerdem kann man ganz leicht 'scheimpflügen', um die Schärfeebene ideal anzulegen.

Aber Zeit braucht man, viel Zeit und sehr gute Nerven, da man immer Angst hat, der Vogel fliegt ab oder wechselt seine Stellung nur um Zentimeter, und alles fängt von vorne an.

Das war vor vierzig Jahren, und einige Landschaftsfotografen arbeiten heute noch so, weil manche Kunden Großformatdias verlangen, oder weil die Fotografen die erhabenen und weihevollen Gefühle so sehr lieben, welche die Arbeit mit der Großformatkamera mit sich bringen.


Auf der Insel Skomer hatte der dortige Vogelwart vor vierzig Jahren für die
Vogelfotografen eine feste Ansitzhütte direkt in
eine Papageitaucherkolonie gebaut.



Ein Bild aus der 'Guten alten Zeit':
Aufgenommen mit der oben abgebildeten
Technika bei Bl. 11 und 1/60 sek.,
auf Agfapan-100 Rollfilm.

Diese SW-Bilder von Papageitauchern von 1961/62 waren meine letzten bisher, und ich dachte mir jetzt, es wäre so langsam an der Zeit mal zu sehen, was man mit diesen Motiven denn wohl jetzt - nach vierzig Jahren und leicht weiterentwickelter Technik (8 Bilder pro Sekunde, Innenmessung, Stabilisator, Autofokus, tolle Diafilme) - so alles machen konnte.

Also flog ich im Sommer 2001  nach Island zu den Lunden. Auf Island leben etwa 6 Millionen Brutpaare des Papageitauchers. Da sie erst im Alter von 5 Jahren zum ersten Mal brüten,  kommen also noch 10-20 Millionen Nichtbrüter dazu. Den 280.000 Menschen auf Island gegenüber sind sie also weit in der Überzahl.

300.000 von den vielen Millionen Puffins leben etwa 350 km von Reykjavik entfernt auf den Kliffs des Ingolfschofdi Highland. Das sind zwar nicht sonderlich viel, verglichen mit der Gesamtpopulation, aber für ein paar brauchbare Fotos sollte es doch schon reichen.

Das Kliff Ingolfschofdi ist etwa 1200 Meter lang, 750 m breit und 75 m hoch. Es gehört dem Farmer Sigurour Bjarnason, der von der Straße aus durch die etwa 9 km lange versumpfte Wasserlandschaft Besucher auf dem Anhänger seines Treckers dorthin bringt.

Hier in Südost-Island, nahe des bekannten Gletschers Breidamerkurjökull, mit dem See Jökulsarlon und seinen berühmten blauen Eisbergen, hat Siguour Bjarnason vor zehn Jahren damit begonnen, Touristen zum Kliff Ingolfschofdi mit seinen vielen Papageitauchern zu fahren. Inzwischen bringt er in den Sommermonaten über 4.000 Touristen zu diesem grandiosen Kliff.

Die Papageitaucher haben hier auf Island natürlich auch Feinde: Ratten, Eisfüchse, Mantelmöwen, Isländer und Skuas. Die Isländer fangen sie mit Schmetterlingsnetzen in der Luft über den Brutkolonien. Ein Fänger kann pro Tag bis zu 900 Lunde fangen - jede Minute einen. Für die Beute bekommt er bis zu $ 2000.- pro Tag. Pro Saison kann er mit toten Papageitauchern bis zu 70.000,- US-Dollar verdienen. Sie werden als Vorspeise in den Restaurants in Reykjavik serviert.


Die Beute eines Tages. Aus der isländischen
Tageszeitung DV vom 23. Juli 2001.

Ein anderer Feind sind die Großraubmöwen (Skuas). Wenn der Papageitaucher nur noch 100 m von der Brutröhre entfernt ist, wird er im Sturzflug abgefangen und kann dann nur entweder die Fische abgeben oder sein Leben.

Das ist bitter für den Papageitauchern: Er ist viele Stunden getaucht und bis zu 150 km geflogen um für sein Junges Nahrung zu suchen, und jetzt war alles umsonst.

Ein anderer schöner Platz um Papageitaucher zu fotografieren sind die  Kliffs von Latrabjarg, der westlichste Zipfel  Islands und gleichzeitig Europas. Während man auf Ingolschofdi große Gruppen aufnehmen kann, sind hier deutlich weniger Lunde, dafür sind sie aber auch überhaupt nicht scheu, was sicher auch daran liegt, das es hier keine Großraubmöwen gibt.

Ich habe noch nie von Papageitauchern gehört, die so zutraulich sind wie diese hier. Man kann sich ihnen ohne Probleme  nähern. Es liegt sicher auch daran, dass sie hier am Leuchtturm durch die vielen Touristen an Menschen gewöhnt sind, und die Feinde - vor allem der Polarfuchs - lieber Lunde woanders jagd, wo nicht so viele Zuschauer sind.

Die Steilklippe ist 14 km lang und bis zu 450 Meter hoch und beherbergt Millionen von Seevögeln. Als Naturfotograf fühlt man sich hier wie im Paradies.

Mehr Bilder von dieser Tour zu den Papageitauchern finden Sie unter 'Portfolios'. Die Aufnahmen dort sind alle gemacht mit der EOS-1 V und den Objektiven 3.5-4.5/24-85 mm, 4.0/70-200 mm und dem 4.0/500 mm, teilweise mit 1.4x Konverter. Alle auf Fujichrome Sensia-100 II mit 81-A Filter und vom Stativ aus.

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