Gedankensplitter zur Naturfotografie

Alle bewundern immer den Mut von Naturfotografen, unter wilden Tieren zu leben und zu arbeiten. Wir hatten schon Löwenrudel im Ngorongoro-Crater, die meinten in der Nacht 20 Meter neben unseren Zelten wilde Verfolgungsjagden veranstalten zu müssen. Oder Leoparden, die am hellen Tag im Governors Camp in der Masai Mara zwischen unseren Zelten durchmaschierten. Es ist nie etwas passiert.
Aber in den letzten Monaten explodierte ein Heißluftballon mit 11 Touristen an Bord in der Mara, wobei einer starb und etliche schwer verletzt wurden. Mehrere Überfälle von Banditen fanden statt, wobei einige Wächter getötet wurden, und in den letzten Jahren stürzten einige Kleinflugzeuge in der Mara ab, mit unschönen Folgen für die Insassen.
Die wilden Tiere sind harmlos - gefährlich sind die Menschen und ihre modernen Spielzeuge...

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enn man in der Naturfotografie Erfolg haben will und ziemlich weit oben sein möchte, dann sollte man sein Leben so weit wie möglich vereinfachen. Die Energie sollte sich auf die Naturfotografie konzentrieren und das Denken auf die nächsten Aufnahmen.

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orte lügen, Fotos lügen. Einem Schreiber der FAZ glaube ich, einem von BILD und Co. aber nicht. Daher ist der Name des Fotografen direkt am Bild sehr wichtig. Erstens ist dies die einzige Werbemöglichkeit für seine Arbeit, die ein Fotograf hat, und zweitens kann ich als Betrachter nur am Fotografennamen erkennen, ob das Foto glaubhaft ist.
Nur unseriöse Zeitschriften - oder Zeitschriften die ihre Fotografen verachten oder für nebensächlich halten - verstecken die Namen ihrer fotografischen Mitarbeiter auf einem sogenannten 'Fotografenfriedhof' irgendwo am Ende des Heftes.
Als Naturfotograf sollte man solche Zeitschriften auf die 'Schwarze Liste' setzen und nicht beliefern.

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ft lassen sich Naturfotografen nicht von der Wirklichkeit leiten, sondern von ihrem Bild der Wirklichkeit. Sie fotografieren nur die Bestätigungen ihrer vorfixierten Urteile.

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as kann man von der menschlichen Vernunft erwarten, wenn sie kein Geschenk Gottes ist, sondern das zufällige Spätprodukt eines unendlichen Prozesses?

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ffenbar ist das menschliche Gehirn ein Apparat, der sich so lange gegen neue Einsichten sperrt, bis er durch große Schmerzen dazu gezwungen wird, sie anzunehmen.

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lück gehabt: Die Tragik vieler Sportler besteht darin, daß sie zunächst nicht wissen, wie man gewinnt, und wenn sie es dann schließlich wissen, können sie es nicht mehr, weil ihr Körper über dreißig Jahre alt ist. Die gewonnene Stärke im Kopf wird von der Schwäche des Körpers begraben.
Naturfotografen haben dieses Problem kaum, brauchen aber Instinkt, Intelligenz, Talent, Gesundheit und Glück - am besten alles, aber auf jeden Fall einiges davon.

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ie Naturfotografie erfordert von allen Sparten der Fotografie die längste (Eigen)-Ausbildung. Mit weniger als zehn bis fünfzehn Jahren kann niemand zur Spitze vordringen. Das hält nur der durch, der hochmotiviert ist und einen eisernen Willen besitzt.

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ein Fotoanfänger glaubt, daß er Wimbledon gewinnen kann, nur weil man ihm einen erstklassigen Tennisschläger gibt.
Kein Fotoanfänger glaubt, daß er einen Grand Prix gewinnen kann, nur weil man ihn in einen erstklassigen Rennwagen setzt.
Kein Fotoanfänger glaubt, daß er ein Konzert geben kann, nur weil man ihn an einen wundervollen Flügel setzt.
Kein Fotoanfänger glaubt, daß er eine großartige Skulptur schaffen kann, nur weil man ihm einen goldenen Meißel gibt.
Kein Fotoanfänger glaubt, daß er einen Roman wie Ernest Hemingway schreiben kann, nur weil man ihm eine elektrische Schreibmaschine gibt.
Aber (fast) jeder Fotoanfänger glaubt, daß er großartige Fotos machen kann, wenn man ihm nur eine Nikon F5 oder eine Canon EOS-1 geben würde.

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hrlichkeit in der Naturfotografie sollte unser Beitrag zum zivilisatorischen Mindeststandard sein.

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Naturfotografie kann Fotojournalismus sein, Kunst, Kamerajagd, Wissenschaft oder Manipulation.

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it einem großen Papierkorb kann man die Qualität der eigenen Naturaufnahmen beträchtlich steigern, denn das einzige Gute an den eigenen schlechten Aufnahmen ist die Freude, die man Kollegen damit macht.

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an ist dem Wesen der Fotografie am nächsten, wenn man Flüchtiges festhält, und die Bilder später den Betrachtern mehr zeigen, als man als Fotograf sie sehen lassen wollte. Man kann die Naturfotografie nicht dazu bringen, sich in eine bestimmte Richtung zu entwickeln. Sie passiert einfach, und genau das fasziniert. Die schönsten Momente in der Naturfotografie sind Fotos voller Emotionalität und Dramatik, voller Lust am Leben und Genuß des Augenblicks, mit Spannung unter einer scheinbar glatten Oberfläche.

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ision: Im Jahre 2003 wird der Arbeitskreis 'Authentische Naturfotografie' innerhalb der GDT gegründet.Die Mitglieder verpflichten sich, Motive nicht zu arrangieren und nicht zu manipulieren und auch nicht zu beeinflussen.
'Nicht eingreifen' heißt die Devise, um wirkliche Naturdokumente zu schaffen, die beim Fotografen selbst - aber auch beim Betrachter - die 'Freude am Echten' auslösen, und bei welchen die Bildredakteure - und auch die Leser - sicher sein können, die wirkliche, unverfälschte und vom Fotografen nicht beeinflußte Natur im Bild gezeigt zu bekommen.
Daher setzen die Mitglieder auf die Rahmen ihrer Dias als Kennzeichnung den Satz: 'Naturdokument, nicht arrangiert oder manipuliert'.

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anche Leute meinen, Naturfotografie sei ein Hobby, bloßer Zeitvertreib. Tatsächlich ist es genau das Gegenteil, eine Art Lebensentscheidung.

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einlich: Wir Naturfotografen versuchen ja immer unser Image aufrecht zu erhalten, daß wir ganz harte Burschen sind, die mit drei Zwieback und einem Apfel als Proviant wochenlang durch die Savanne oder Tundra marschieren, immer auf der Suche nach den Geheimnissen und Wundern der Natur.
Eines Morgens hatten wir unser Camp in der Masai Mara schon um 5.oo Uhr in der Frühe wegen wichtiger Aufnahmen verlassen müssen - ohne Frühstück, weil's halt' wirklich etwas früh war für die Küche.
Um 8.oo Uhr hielt dann ganz nahe neben unserem Landrover ein zweiter vom Camp und reichte uns durch die heruntergedrehten Scheiben zwei Frühstückboxen mit Brot, Eiern, Früchten, mit drei Kannen die Kaffee, Tee und Milch enthielten.
Der Fahrer war 15 km gefahren und hatte uns fast zwei Stunden lang gesucht, nur damit die beiden Naturfotografen auch ja ihr gewohntes Frühstück bekamen.
Das harte Leben der Naturfotografen - oder: Mein Gott, Walter...

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an kann Schmetterlingsfotos statt mit Tageslicht auch mit Blitzlicht machen, aber das ist dann so, als wenn Sie statt der FAZ die Bildzeitung lesen.

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in atavistischer Trieb verdammt den Naturfotografen zu täglicher Bewegung, ob das nun einen Sinn macht oder nicht. Vielleicht ist das ein Erbe aus der Zeit der Jäger und Sammler, als unsere Vorfahren gezwungen waren, auf der Jagd nach Beute weite Strecken zurückzulegen.

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ür ein Leben, auf das es dem Naturfotografen ankommt, also eine gute, gelungene und eine sinnerfüllte Existenz, erweist sich vieles von dem, was die Menge sucht, als überflüssig.

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ersuchen Sie, Ihre Ausrüstung so klein wie möglich zu halten. Nicht der Naturfotograf ist der erfolgreichste, der die schwerste Ausrüstung durch die Tundra schleppt (.. und der glücklichste ist er sicher auch nicht).

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Nahfotografie von Schmetterlingen, Pilzen, Blumen oder Libellen im Morgentau erfordert Bedächtigkeit und Lebensweisheit - Tierfotografie dagegen Neugier und Reaktionsvermögen.

Wenn Sie noch mehr lesen möchten, dann klicken Sie bitte auf: Gedankensplitter II