7. Tour

8. - 20. Juni 1994

9. Juni 1994

Seit das Gras im Mai so hoch geworden ist, hat man keinen Leopardenkill mehr gefunden. Anscheinend sind die Leoparden der Ansicht, daß es sich bei dem hohen Gras nicht lohnt die Energie aufzubringen, und eine Beute in den Baum zu transportieren, weil die Löwen und Hyänen sie jetzt sowieso nicht finden.

Aber ausgerechnet heute, an meinem ersten Morgen auf Tour 7, finden wir Beauty mit einem Kill hoch im Baum - alle Theorie ist eben grau.(Leoparden, Seite 123).

12. Juni 1994.

Ich brauche ganz, ganz dringend einen Kill von Paradies in einem Baum hängend! Am besten ein großes Tier wie ein Impala, ein Zebra oder einen Thomsongazellenbock.

Die Situation mit der Familie ist ohne Kill im Augenblick fotografisch gesehen eine einzige Katastrophe.

Heute morgen fanden wir zwar die Leopardenfamilie, und konnten den dreien für etwa zwei Stunden folgen, aber die Szenen waren - mit den Augen eines Fotografen betrachtet - ziemlich trostlos.

Es reichte so eben aus, um die Geschichte weiterzubringen, aber zu mehr nicht. Es gibt keine Höhepunkte, keine Attraktionen, und nichts Bedeutendes oder Schönes passiert. Die drei Leoparden laufen alle einfach so durch die Gegend, und legen sich dann irgendwann für den Rest des Tages einfach irgendwo ins hohe Gras - und damit ist die Sache erledigt. Unprosaischer Leopardenalltag..

Mit einer Beute im Baum würde sich die Situation schlagartig ändern: Alle drei würden den Baum häufig rauf und runter laufen oder klettern, und spielen, oder die Kleinen würden die Mutter ärgern - auf jeden Fall gäbe es etliche fotografisch verwertbare Situationen. So wie jetzt ist das alles kalter Kaffee...

Mein Konzept für das Marabuch habe ich inzwischen geändert: Aufbau nach Monaten erscheint mir nicht mehr so sonderlich gut. Erstens weil mir die Leopardenstory unvorhergesehen dazwischenkam, und im Augenblick auch 90 % meiner Zeit, Energie und Aufmerksamkeit bindet, und ich mit den restlichen 10 % das ursprüngliche Konzept einfach nicht durchhalten kann - und zweitens ist es vielleicht auch für die Leser nicht optimal: Wenn in jedem Monat eine wichtige Tierart abgehandelt wird, dann glauben vielleicht einige Leser, daß man sie in den anderen Monaten nicht sieht.

Daher habe ich mich entschlossen, daß Marabuch stattdessen nach Lebensräumen aufgeteilt zu gestalten:

* Die Graslandgesellschaft

* Die Buschlandgesellschaft

* Die Waldgesellschaft

* Die Flußgesellschaft

Das zwängt mich nicht mehr in das starre Konzept, jeden Monat eine wichtige Tierart 'schaffen' zu müssen, sondern ich kann praktisch immer etwas 'in der Gegend herumfotografieren', wenn mir die Leoparden Zeit lassen.

In eines der neuen Kapitel passen die so entstehenden Bilder wohl immer, und für den Leser ist es auch gut, weil er jetzt leichter sieht, welche Tiere es wo gibt, und was ihn alles an verschiedenen Biotopen und Tiergesellschaften in der Mara erwartet.

14. Juni 1994.

Jetzt nach sieben Touren hat sich so langsam die ideale Ausrüstung herauskristallisiert. Erste Erkenntnis: mein bei weitem am meisten benutztes Objektiv ist das AF-Nikkor 4.0/600 mm, welches ich hier in Afrika fast ausschließlich mit Autofokus benutzte - zu mehr als 99 %.

Nur wenn mal ein Tierkopf zwischen vielen und eng stehenden Grashalmen scharf eingestellt werden muß, schalte ich um auf MF .

Immer häufiger nehme ich in letzter Zeit zum 600er den 1,4x AF-Konverter. So langsam lerne ich, daß ein gutes Motiv für das 600er Objektiv sehr oft ein noch besseres Motiv wird, wenn man es mit 840 mm Brennweite fotografiert.

Bei 840 mm arbeite ich ausschließlich mit AF. Die Tiefenschärfe ist bei dieser riesigen Brennweite - und der zwangsweise offenen Blende wegen der Verwacklungsgefahr - sehr gering und beträgt oft nur wenige Zentimeter, da ist AF eine unbezahlbare Hilfe.

Der Kaffernbüffel etwa braucht seinen Kopf nur unmerklich wenige Zentimeter zu drehen, und schon ist der Madenhacker aus der Schärfenzone. Manuell fokussierend würde man das vielleicht überhaupt nicht bemerken. Der 1,4x Konverter mit AF ist da schon ein großartiges Handwerkszeug (Masai Mara, Seite 29).

Der 2x Konverter fristet dagegen ein Schattendasein, und wird von mir zur Zeit praktisch überhaupt nicht eingesetzt.

Vor zwei Jahren, als ich mit Norbert Rosing zusammen die Gepardenstory fotografierte, habe ich ihn häufiger benutzt - immer mit dem 3,5/400 mm zusammen - um auf 800 mm Brennweite zu kommen.

Jetzt, mit der Kombination 600 mm Objektiv plus 1,4 x Konverter, brauche ich ihn anscheinend nicht mehr Eigentlich habe ich ihn nur zur Vorsicht noch im Rucksack, falls mal ein toller Sonnenuntergang kommt, und dann irgendwelche Tiere vor dem roten Ball herumlaufen, die man dann sicher mit 1.200 mm Brennweite eindrucksvoll festhalten kann.

Am Anfang hatte ich auch manchmal die Objektive Nikkor 2,8/300 mm AF, Tokina 4.0/100-300 mm AF und das Nikkor 4.0/200-400 mm MF mitgenommen.

Das 2,8/300 mm AF habe ich ausgewechselt gegen das 4.0/300 mm AF, weil dieses kleiner und leichter ist, und ich damit schneller und besser arbeiten kann. Die Blende 2,8 beim 300er brauche ich nicht unbedingt -Schnelligkeit und Handlichkeit sind mir wichiger .

Das 4.0/100-300 von AF Tokina war von Brennweite und Lichtstärke her eigentlich ein hervorragend geeignetes Objektiv. Leider war die optische Qualität im Bereich von 250-300 mm nicht zufriedenstellend.

Das optisch hervorragende 4.0/200-400 mm habe ich aussortiert, weil es als MF-Objektiv viel zu langsam ist für die Aktionsfotografie in Afrika.

Zusätzlich habe ich auf den letzten Touren das 4.0/200 mm MF-Makro Nikkor mitgenommen, weil es wegen der Brennweite, dem Fokussierbereich, und der Stativschelle ein ganz fantastisches Objektiv ist für Nahaufnahmen von Blumen, Schmetterlingen und Pilzen.

Es ist verrückt - aber ich fange wirklich an, hier in der Masai Mara mehr und mehr Nahaufnahmen zu machen. Andere schwärmen von Elefanten und Löwen, und ich fotografiere die 'Schwarzäugige Susanne', die 'Engelstrompete', oder krieche im dunklen Regenwald herum wo die Buschbabys hausen, und suche Pilze an vermoderten Baumstämmen (Masai Mara, Seite 55).

Meine komplette Ausrüstung, die ich jetzt im Augenblick auf dieser Tour bei mir habe, sieht so aus:

Für die Tierfotografie: 2,8/70 -210 mm AF, 4.0/300 mm AF und 4.0/600 mm AF,mit den beiden Konvertern 1,4x AF und 2.0xAF,

Für die Nahfotografie: 2,8/105 mm AF und 4.0/200 mm MF.

Für Landschaften: ein 24 -70 mm AF-Zoom, und für Aufnahmen aus der Luft die MF-Objektive 2,8/24 mm, 2,8/35 mm und 2,8/55 mm.

Ständig bei mir im Auto habe ich folgende Ausrüstung:

2 Nikon F4s

2.8/24 mm MF-Nikkor, 2,8/105 mm AF-Nikkor Makro, 4.0/200 mm MF-Nikkor Makro

3,5/24-70 mm AF-Tamron

2,8/70-210 mm AF-Sigma, 4.0/300 mm AF-Nikkor, 4.0/600 mm AF-Nikkor

1,4x AF-Konverter, 2.0x AF-Konverter

SB-24 Elektronenblitz, 25 mm Zwischenring

1 Scheibenstativ Novoflex mit Lumpp-Kugelkopf und Monopod -Einbeinstativ

1 leichtes Gitzo-Stativ mit Kugelkopf für Landschaften und Pflanzen, 2 Sandsäcke

1 Kodak Kühltasche für Filme

1 Verlauffilter grau 2x

1 Gummiballauslöser

1 Fernglas 8x40

1 Graukarte

1 Lichtmesser

1 Lowepro Phototrekker

Rein gefühlsmäßig geurteilt, habe ich etwa 70 % der Fotos bisher mit 600 mm oder 840 mm Brennweite gemacht, etwa 20 % mit 300 mm und die restlichen 10% mit kürzeren Brennweiten.

Auf der letzten Tour hatte ich probeweise je 30 Patronen der neuen Fujichrome-Diafilme Sensia100 und Provia-l 00 mitgenommen, und war von den Ergebnissen angenehm überrascht. Die Farben entsprechen fast genau dem bisherigen Fujichrome-loo, und dieWeichheit der Gradation ist - Gott sei Dank - geblieben, aber die Schärfe ist viel besser geworden. Nach den bisherigen Ergebnissen zu urteilen, ist kein Unterschried zwischen Sensia-l 00 und Provia-loo festzustellen, außer, daß Provia-100 fast doppelt so teuer ist.

Mit den Kodak Ektachrome Elite-loo und Panther-loo Filmen war ich nicht sehr glücklich; sie waren mir zu hart in der Gradation und viel zu braun in der Farbbalance.

In Zukunft werde ich wahrscheinlich nur noch Sensia-loo nehmen, und keine Fujichrome-50 mehr extra mitführen für Pflanzen und Landschaftsaufnahmen. Der Sensia-loo scheint so gut zu sein, daß ich ihn als Universalfilm für alles benutze, und nur einige Sensia-200 und Sensia-400 für Aktionsfotos bei miserablen Lichtverhältnissen vorsehe. Fuji scheint uns da mit dem Sensia-loo wirklich d e n Diafilm serviert zu haben.

Es gibt zwei Wege, um in der Masai Mara als Naturfotograf zu arbeiten:

Bei normaler Naturfotografie, wenn man nur hinfliegt und rumfährt, um an Aufnahmen mitzunehmen was sich so anbietet, ist es mit 2 Naturfotografen in einem Auto günstiger, weil sich dadurch die Kosten halbieren, und es ist nicht so langweilig, wenn man mit einem Kollegen gemeinsam über die verpaßten Chancen lamentieren kann.

Bei speziellen Projekten, die länger dauern, arbeitet man am besten auf der Basis: 1 Auto, 1 Fahrer, 1 Fotograf.

Hier auf diesem Bild fotografiert Tom Brakefield Leoparden für sein Buch über die drei großen
afrikanischen Katzen 'Leopard, Gepard und Löwe', das 1996 in den USA erscheinen soll.

Hier sieht man auch schön die optimale Arbeitsweise: die normalen Bilder werden durch
die Wagentür vom Scheibenstativ aus gemacht, und für Sonder- oder Notfälle fotografiert
man aus der Dachlucke.

Vorne sitzt der Fahrer, und auf dem Platz neben ihm sind die Frühstücks- und Lunchpakete
gestapelt. Auf der zweiten Sitzbank hat der Fotograf platzgenommen, und kann jetzt aus
dem linken und rechten Fenster fotografieren, sowie aus der Dachlucke. Auf der dritten
Sitzbank liegt die restliche Ausrüstung. So kann man es von morgens um 6.00 bis
abends um 18.00 - 19.oo Uhr ganz gut aushalten, immer bereit für den 'perfekten
Schuß', der einem aber trotz allen Einsatzes in der Regel nur alle paar Wochen
einmal gelingt (Faustregel für Afrika: Alle hundert Filme gelingt ein Spitzenfoto ).

14. Juni 1994.

Schade, daß man nicht alles fotografieren kann, was man sieht. Oft wird man einfach zu sehr überrascht, man ist zu weit entfernt, Zweige sind zwischen Kamera und Motiv, daß Gras ist zu hoch, man hat das falsche Objektiv vor der Kamera oder den falschen Film in ihr, daß Licht reicht noch nicht oder nicht mehr, usw. usw.

Heute morgen etwa sprang ein junger Leopard seiner Mutter richtig auf den Rücken, und saß dort vielleicht für ein, zwei Sekunden.

Die beiden sahen aus wie eine Untergruppe der Bremer Stadtmusikanten. Das wäre ein Superfoto geworden, aber leider waren beide zu weit von meiner Kamera entfernt, und zusätzlich waren auch noch Zweige zwischen Objektiv und Motiv, welche die Sicht zwar nicht sehr behinderten, aber leider Fotos unmöglich machten.

Kürzlich sprang in der Nähe der Aitong-Berge plötzlich eine Elandantilope über ein Zebra hinweg. Es sah so aus, wie wenn bei Reitturnieren das Pferd über die Hürde mit den drei Balken springt.

Aber ich hatte nicht einmal Zeit, die Kamera in die Hand zu nehmen, so plötzlich passierte das. Die Elandantilope sprang einfach aus dem Stand - ohne Anlauf - ganz plötzlich und völlig unmotiviert über den Zebrarücken.

Ich hatte fast den Eindruck, sie machte diesen Sprung grundlos, einfach so aus Spaß an der Freude. Die Zeit reichte nur aus, um mit offenem Mund staunend im Auto sitzend zuzusehen.

Wieder ein Superfoto gesehen und nicht auf den Film bekommen. Kein Wunder, daß man so viele graue Haare hat. .

* * *