Fritz Pölking <-Zurück

Bild in großMit Kamera und Zelt bei den Kaiserpinguinen

Es war eine etwas ambivalente Faszination, die von diesem Plan ausging, 10 Tage bei einer großen Kaiserpinguinkolonie zu zelten, mit 24 Stunden Tageslicht und unglaublichen Fotomotiven. Das war schon mehr als aufregend, nur gebremst von dem Gedanken an 10 Tage mit 24 Stunden Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad unter Null und kein warmes Zimmer vorhanden, in das man sich nach der Arbeit in großer Kälte zum Regenerieren zurückziehen konnte.

Nun hätte man die Tour einen oder zwei Monate später in den antarktischen Sommer legen können, dann wären die Temperaturen etwas freundlicher zum Campen gewesen, aber leider die Motive nicht mehr so attraktiv, weil dann die kleinen Pinguine nicht mehr auf Vaters oder Mutters Füßen stehen würden.. Also hieß es: 'Reinbeißen in den kalten Apfel'. -Naturfotograf zu sein heißt halt einen schwierigen Beruf zu haben, aber - einer muß es ja machen..
Vorbereitung

So eine etwas ausgefallene Tour will natürlich gut vorbereitet sein. Das größte Problem war die Gewichtsbeschränkung durch das kleine Flugzeug, eine Twin Otter mit Skiern statt Rädern, die 25 kg Gesamtgepäck pro Teilnehmer gestattete, einschließlich Fotoausrüstung. Daher nahm ich erst einmal das kleinste Stativ, mit dem ich dachte noch seriös arbeiten zu können, und zwar das Carbonstativ 'Mountaineer 1228 Arctic' von Gitzo, das es in seiner leichtesten Ausführung auch als 'Kälte-Version' gibt, und garantiert noch bei 20 Grad minus vernünftig arbeiten soll. Mit dem kleinen Graf Kugelkopf Mini mit 300 g Gewicht zusammen legte ich es für zwei Tage in eine Tiefkühltruhe und siehe da, die Kombination arbeite auch unter diesen extremen Minustemperaturen noch perfekt. Ein Problem gelöst..

Das zweite war der Transport der Filme auf dem Hin- und Rückweg: Für 10 Tage Pinguinfotografie mit jeweils 24 Stunden Tageslicht hatte ich pro Tag 30 Filme kalkuliert. Wahrscheinlich kommt man an so einen Platz nur einmal im Leben, und da ist es besser, 100 Filme zu viel mitzunehmen als 10 zu wenig. Diese 300 Filme mußte ich im Handgepäck unterbringen, weil es ja seit etwa einem Jahr diese netten neuen Röntgengeräte gibt, mit denen aufgegebene Koffer nach Sprengstoff durchleuchtet werden, und die garantiert jeden unentwickelten Film ruinieren. Sie stehen inzwischen auf über 100 Flugplätzen in der ganzen Welt und haben neulich die Arbeit von über vier Wochen einer BBC-Fernsehcrew unter Sir David Attenborough komplett vernichtet, weil die ihr Filmmaterial in Koffern aufgegeben hatten.

Also müssen wir Naturfotografen jetzt alle Filme ins Handgepäck nehmen, was nicht ganz so einfach ist, weil gleichzeitig mit den neuen 'Filmzerstörungsmaschinen' auch die Richtlinie 'Nur ein Stück Handgepäck pro Passagier' aus Versicherungsgründen immer rigoroser gehandhabt wird. Wie man allerdings die normale Ausrüstung, ein 500/600 mm Objektiv und 200/300 Filme in ein Handgepäckstück mit den Höchstmaßen 20x40x50 cm - bei einem erlaubten Höchstgewicht von 8 kg - unterbringen soll, ist mir weitgehendst schleierhaft.

Daher versuchte ich erst einmal alle Ausrüstungsteile, die nicht besonders erschütterungsempfindlich sind (Zwischenringe, Filter, Blitz, Batterien usw.) im Koffer einzupacken, und schaffte es so, den sensiblen Teil der Ausrüstung im Lowepro Phototrekker unterzubringen. In die Vordertasche passen dann noch etwa 150 Filme, wenn man die Pappschachteln und Plastikdosen vorher entfernt. Die restlichen Filme steckte ich dann in eine große bunte Plastiktüte, wie man sie auf den Flughäfen im 'Duty free' erhält. Diese gilt inoffiziell nicht als zweites Handgepäckstück.

Die Flughäfen machen nämlich ein Riesengeschäft mit Alkohol und Zigaretten (manche verdienen mehr an diesen Dingen als am Flugbetrieb), und wenn die Plastiktüten mit den am Flughafen gekauften Flaschen und Zigarettenstangen als zweites Handgepäckstück gelten würden, hätten die Flughäfen Millionenverluste, und es gäbe eine Palastrevolution. Daher werden diese bunten Tüten am Schalter und am Gate stillschweigend akzeptiert bzw. nicht zur Kenntnis genommen.

Die Transportfrage der Filme war geklärt, die Stativfrage auch, blieben die Fragen: Welche Kamera und welche Batterien? Am liebsten natürlich meine F5, alleine schon wegen der Bracketingfunktion, wo man drei Bilder hintereinander automatisch aufnehmen kann, mit einem Bild richtig belichtet, einem 0.3 Blenden über und einem 0.3 Blenden unter. Das war mir besonders wichtig bei diesen belichtungstechnisch so sensiblen Motiven.. Die Frage war nur: Wie benimmt sich eine so hochtechnisierte Kamera bei permanent sehr tiefen Minustemperaturen und wieviel Batterien 'frißt' sie, bzw. wie lange werden sie reichen. Daher nahm ich zur Vorsicht noch eine ältere Kamera aus der 'Vor-AF-Zeit' mit, eine vollmechanische FM-2, was ja beim Nikonsystem geht, weil diese Firma zum Glück der Fotografen das Kamerabajonett nicht geändert hat, und man so alle die wertvollen älteren Zubehörteile aus dem Kameraschrank auch heute noch benutzen kann.

Bild in großWieviel Lithiumbatterien mitnehmen? Laut Nikons F5- Bedienungsanleitung mußten 30-40 Batterien für 300 Filme bei 10 Grad Minus reichen. Daher nahm ich vorsichtshalber 100 mit. Denn der schlimmstmögliche für mich vorstellbare Albtraum auf dieser Reise wäre gewesen, daß nach den ersten fünf Tagen dieser zehntägigen Tour alle Batterien aufgebraucht sind.

Blieb' nur noch die Frage offen: Was tun, damit die Bilder richtig belichtet werden? Von meinen früheren Reisen nach Churchill und in die Antarktis wußte ich, das eine Belichtungskorrektur von 1.3 plus bis 2.0 Blenden plus meistens richtig war. Das gilt allerdings nur für die mittenbetonte Integralmessung oder die Spotmesung. Bei den modernen Mehrfeldmessungen muß man ganz vorsichtig sein, weil die einen Teil selber korrigieren, aber man nie genau weiß, wieviel sie korrigieren. Unter solchen extremen Belichtungsproblemen schaltet man diese Mehrfeldmessung am besten ab, und korrigiert die Belichtung - von der mittenbetonten Integralmessung ausgehend mit Hilfe von Handfläche (plus 1 Blende), Handlichtungsmesser (nicht Hand-belichtungsmesser), Graukarte und der Regel der 'Sonnigen-16' (falls die Sonne scheint).

Anreise

Der Trick mit der bunten Plastiktüte und 150 Filmen als Inhalt klappte bestens. Weder bei der Lufthansa noch auf den Inlandsflügen in Chile interessierte sich irgendjemand für dieses zweite Handgepäckstück. Spannend wurde dann die Frage, wann der Flug in die Antarktis von Punta Arenas aus mit einer Herkules losgehen würde. Bei unserer Ankunft am 28. Oktober 1998 wartete eine Maschine schon seit dem 20. Oktober am Flughafen auf Wetterkonditionen, die eine Landung auf Patriot Hill in der Antarktis möglich machen würde. Das sah nicht gut aus. Hans Reinhard, der diesen Trip vor einigen Jahren machte, mußte in Punta Arenas drei Wochen warten, bevor das Wetter einen Start zu den Kaiserpinguinen gestattete.

Wir hatten Glück (dachten wir), und mußten nur fünf Tage warten, bevor sich die große Hercules-Maschine in die Luft erhob, um uns auf der ersten Etappe in einem fast sechsstündigen Flug über etwa 1300 km ins Herz der Antarktis zu bringen, nach Patriot Hill. Von dort ging es erst vier Tag später - nach einem wieder wetterbedingten Aufenthalt auf diesem kalten Stützpunkt - weiter mit zwei kleinen Twin-Otter-Flugzeugen in nochmal fast siebenstündigem Flug bis zur etwa 1100 km entfernten Kaiserpinguin-Kolonie am Dawson-Lambton Gletscher, wo die mit Skiern ausgerüsteten Maschinen auf dem Eis landeten. Vierzehn Tage nach Abflug aus Deutschland waren wir endlich am Ziel der Reise angekommen - den großen Pinguinen im weißen Erdteil.

Die Kaiser der AntarktisBild in groß

Die Kaiserpinguine sind mit 100-120 cm die größten Pinguine, erreichen ein Gewicht zwischen 20-40 kg, und kein anderer Vogel hat ihre faszinierende Art zu leben.

Im letzten Licht des Herbstes, vor der großen Winterdunkelheit, legt jedes Kaiserpinguinweibchen ein einzelnes Ei, um danach im offenen Meer zu verschwinden. Das Männchen balanciert nun zwei Monate lang dieses Ei auf seinen Füßen durch die bittere Kälte des Winters.

Die Männchen bleiben etwa neunzig Tage ohne Nahrung und brüten davon 62-64 Tage. Die Mütter kehren erst vom Meer zum Partner zurück, wenn die Jungen schlüpfen. Jetzt sorgen sie für die Jungen, und die Männchen gehen zum Meer um Nahrung zu suchen und ihr altes Gewicht wieder zu erreichen. Die Jungen wachsen zuerst langsam, wenn aber im antarktischen Frühsommer die Nahrung reichlicher wird, werden sie häufiger gefüttert und wachsen schneller. Im Alter von 5 Monaten, etwa im Januar/Februar, müssen sie dann das Meer aufsuchen, weil die Eltern die Kolonie etwa einen Monat vorher verlassen haben. Die Jungen haben jetzt nur die Wahl, entweder in der Kolonie zu verhungern, oder zum offenen Wasser zu wandern um sich dort von jetzt an selber zu ernähren.

Unser Zeltlager - Leben im Kühlschrank

Bild in großEigentlich war es ja mehr ein Leben in der Tiefkühltruhe als im Kühlschrank, denn bei unserer Ankunft in Patriot Hill hatten wir satte 29 Grad minus. Wenn man nach Stunden im warmen Flugzeug die Maschine plötzlich verlassen muß und direkt, ohne Übergang mit der brutalen Kälte der Antarktis konfrontiert wird, so ist das schon ein Schock. Die Brille etwa ist innerhalb von fünf Minuten komplett mit Eiskristallen übersät, einschließlich der Gläser, so daß man absolut nichts mehr durch sie sehen kann.

Nach einem wetterbedingten Zwangsaufenthalt von vier Tagen in Patriot Hill mit 20-30 Grad minus, war es dann hier bei den Kaiserpinguinen am Dawson-Lambton Gletscher erfreulich 'warm', mit nur 10-15 Grad minus.

Wir bauten unsere Zelte etwa eine halbe Stunde Fußmarsch von der Pinguinkolonie entfernt auf's Eis der Wedell See. Es ist schon eine besondere Erfahrung, 10 Nächte auf Eis zu schlafen. Ein Problem hierbei waren die 24 Stunden Helligkeit, die einen keinen vernünftigen Schlafrhytmus finden ließen, weil es im Zelt immer taghell war. Aber der Schlafryhtmus war ja nicht so wichtig, sondern die Arbeit. Daher hatten wir auch keine Essens- oder Schlafzeiten eingerichtet, sondern jeder kam und nahm sich etwas, wenn er Zeit dazu hatte. Im Schlafsack war es übrigends sehr angenehm, man durfte nur nicht den Kopf herausstecken.

Eine Gruppe, die vier Jahre vor uns hier zeltete, wurde von einem Schneesturm überrascht, und die Zelte drei Meter hoch von Schnee bedeckt. Man brauchte praktisch vierundzwanzig Stunden, um die Zelte und Flugzeuge wieder auszugraben. Wir hatten bei unserem Aufenthalt etwa 5 Tage Sonnenschein, drei Tage bewölken Himmel und nur zwei Tage Schneesturm, der uns an die Zelte fesselte, aber diese zum Glück nicht unter Schneemassen beerdigte.

Arbeiten im Pinguinland

Die große Kaiserpinguinkolonie am Dawson-Lambton Gletscher umfaßt - jährlich schwankend - 5.000 bis 10.000 Brutpaare, mit 2.000 bis 5.000 Jungen. Die Kolonie hat keinen festen Platz, sondern die Altvögel wandern mit den Jungen auf einer Fläche von einigen tausend Quadratmetern herum, und die Kolonie befindet sich praktisch jeden Tag an einer anderen Stelle.

Erfreulich aus Sicht der Pinguine ist, das es keine Landraubtiere in der Antarktis gibt keine Polarbären, keine Eisfüchse - nichts. Daher haben diese Pinguine auch keine Angst vor Menschen. Man kann sich der Kolonie bis auf 3-4 Meter nähern, bevor die Tiere eine Reaktion zeigen. Wenn man dann still stehen bleibt, kommen sie in großen Gruppen von 2-20 Exemplaren - auch mit Jungen, oder diese alleine - näher an den Fotografen heran, bis auf etwa 1 Meter Distanz.

Diese fehlende Scheu vor dem Menschen hat für Naturfotografen den erfreulichen Effekt, daß er die Objektivbrennweite nicht der Fluchtdistanz oder der Komfortgrenze der Tiere anpassen muß, sondern sie unter rein fotografischen Gesichtspunkten auswählen kann. Also ebenso eine Telebrennweite nehmen, die einen mehr kühl beobachtend, registrierenden Effekt erzielt, wie auch eine Weitwinkelbrennweite, die einen optisch überraschenden Effekt erbringt, mit packenden Bildern und einem emotionalen Touch.

Kiegsberichterstatter etwa arbeiten nicht deshalb gerne - oder fast ausschließlich - mit der 35 mm Brennweite aus nächster Nähe, weil sie so lebensmüde sind, sonder deshalb, weil sie damit die emotionale Dimension und die Wirklichkeit des Krieges viel eindrucksvoller wiedergeben können, als aus sichererer Entfernung mit einem langen Tele. Hier bei den Kaiserpinguinen konnte man - was ja in der Tierfotografie nur selten möglich ist - beide Brennweitenbreiche unbedenklich