Das letzte Bild

 

Meine ersten Bilder der Leopardin 'Half Tail' machte ich in der Masai Mara in Kenia 1991. Seit dieser Zeit habe ich sie kontinuierlich mit meiner Kamera beobachtet und über die Jahre auch alle ihre Kinder fotografieren können, die älter als vier Wochen wurden.

Im Herbst 1998 war es wieder einmal soweit: die Leopardin hatte im Gebiet des Kichwa-Tembo-Busches zwei Junge bekommen, und ich hatte drei Wochen angesetzt, um sie zu finden und zu fotografieren.

Geparde zu fotografieren ist einfach und macht Spaß - Leoparden zu fotografieren ist Arbeit und macht Depressionen.

Geparde sind immer in der offenen Savanne und tagaktiv; wenn man sie einmal gefunden hat, kann man sie über Wochen hinweg kaum wieder verlieren.

Leoparden lieben unübersichtliches Gelände mit Gräben, Büschen sowie Felsgewirr und sind nachtaktiv. Wenn man sie einmal gefunden hat, ziehen sie in der nächsten Nacht fünf Kilometer weiter, und die ganze Sache fängt von neuem am - jeden Tag.

Das beste Beispiel war dieser Wurf: Seit ein männlicher Leopard ein Jahr vorher ihre beiden damals vier Wochen alten Kinder in der Leopardenschlucht getötet hatte, war Half Tail in dieses - für Fotografen - extrem schwierige Gebiet gezogen. Erst nach einer Woche Suche hatte ich die Mutter mit den beiden Kleinen gefunden, und in den nächsten vierzehn Tagen gelang mir nur dieses eine gute Foto, das Half Tail mit ihrer jüngsten Tochter Shujaa zeigt. Es war das einzige Mal, das sie in den zwei Wochen frei im offenen Gelände mit der Tochter zu sehen war, sonst waren sie immer halb verdeckt hinter Büschen und Gras oder in Gräben.

Drei Wochen für ein brauchbares Leopardenfoto - in der gleichen Zeit hätte man tausend Gepardenfotos machen können...

Es sollte mein letztes Bild dieser Leopardenmutter sein. Im Juli 1999 wurde Half Tail von einem Maasai-Hirten mit dem Speer getötet, als sie seine Ziegenherde angreifen wollte.

Half Tail war sicher die berühmteste Leopardin in Kenia, und mit ihrem Tode ging eine Ära in der Masai Mara zu Ende.

Im Heft 'Fotoprojekt Masai Mara' und dem Bildband 'Leoparden - die geheimnisvollen Katzen' habe ich sie ausführlich vorgestellt.

Nikon F5, 4.0/500 mm, Kodachrome-2oo, Autoscheibenstativ.